Den roten Faden vor Augen

© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Matthias Hirt

Leiter Koordinationsstelle Nachwuchsförderung beim Vizerektorat Forschung

Dr. Matthias Hirt ist Historiker und leitet die Koordinationsstelle Nachwuchsförderung beim Vizerektorat Forschung (80%). Er berät Nachwuchsforschende in Laufbahnfragen und koordiniert gesamtuniversitäre Projekte und Veranstaltungen im Bereich der Nachwuchsförderung. Zudem ist er für die Vergabe von Unterstützungsbeiträgen für junge Forschende zuständig. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

 

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?

Extrem spannend ist, quer durch alle Disziplinen und alle Bereiche der Universität wirken zu können. Auch die Kombination mit organisatorischen und sozialen Fähigkeiten, die meine Funktion erfordert, gefällt mir. Ich habe einen grossen Gestaltungsspielraum und ein weites Kontaktnetz. Ich mache viele meiner Projekte von Anfang an bis zum Schluss und trage eine hohe Verantwortung, gerade in der Beratung. Das positive Feedback, das ich dabei bekomme, motiviert mich zusätzlich.

Inwiefern ist Ihre Laufbahn vom «klassischen» akademischen Weg abgewichen?

Das geschah schon im Studium, denn als Werkstudent war ich gar nicht in der Lage, besonders schnell zu studieren. Ich habe mir übrigens die für meine jetzige Funktion nötigen Kompetenzen bereits während des Studiums und während der Dissertation angeeignet: Denn für die vielfältigen organisatorischen, psychologischen aber auch hochschulpolitischen Kompetenzen gibt es – trotz meiner kontinuierlichen Weiterbildung – keine eigentliche Ausbildung. Meine Dissertation habe ich neben den beruflichen Tätigkeiten und unbezahlt gemacht. Das ist für eine akademische Karriere nicht förderlich. Für mich war das damals aber ein bewusster Entscheid, auch aus familiären Gründen. Ich hatte jedoch, auch wenn es vielleicht nicht so geradlinig aussieht, immer einen roten Faden vor Augen, und zwar der Wille zum Mitgestalten: Ich wollte an der Universität nicht einfach eine Matrikelnummer sein, ich wollte mich von Beginn an einbringen.

Mit welchen Hürden waren Sie konfrontiert?

Ich denke, ein freies Doktorat, wie ich es gemacht habe, bedarf einer enormen intrinsischen Motivation. Denn es ist niemand da, der einen unterstützt, der einem über die Schulter schaut, der am Freitag fragt, wo man gerade steht. Das war eine Hürde. Dennoch habe ich ein kleines wissenschaftliches Netzwerk aufgebaut, obwohl ich zum Beispiel kaum Zeit hatte, an Konferenzen zu gehen, schon gar nicht ins Ausland. Ich habe mir die Leute selber gesucht – und bin immer auf offene Türen gestossen. Die Gefahr der Selbstausbeutung ist in einem freien Doktorat jedoch enorm. Dazu kommt die Unsicherheit über die berufliche Entwicklung – ein häufiges Thema auch in den Beratungsgesprächen.

Welche strukturellen Veränderungen wünschen Sie sich an den Universitäten?

Die aktuellen Reformen gehen in Richtung geradliniger Karrieren mit höherer Erwartbarkeit und mit besserer Planbarkeit. Doch auch in Zukunft wird es nur eine beschränkte Zahl von Professuren geben, also müssen wir andere attraktive Karriereziele im universitären Umfeld schaffen, zum Beispiel feste Dozenturen für Personen, die gerne und gut unterrichten. Dort wünschte ich mir eine grössere Vielfalt an sicheren, nachhaltigen Stellen, auch im sogenannten Third Space. Das sind hochqualifizierte Stellen und Bereiche, die durch die zunehmende Komplexität von Lehre und Forschung entstanden sind.

In Bezug auf die akademische Karriere wünschte ich mir, dass gewisse Dogmen überwunden werden. So ist zum Beispiel «Teilzeit» in der Wissenschaft nach wie vor ein Schimpfwort. Das sollte sich ändern und damit verbunden auch der Wunsch, dass der wissenschaftliche Leistungsausweis an der Qualität und nicht an der Quantität gemessen wird. Ich selber arbeite seit ich Kinder habe – auch in meiner jetzigen Funktion – konsequent Teilzeit, gewährleiste aber eine grosse Flexibilität. Für meine Vorgesetzten war und ist es kein Problem, dass ich nicht allzeit verfügbar sein kann. Das ist meines Erachtens auch für akademische Positionen möglich.

Welche Tipps haben Sie für junge Forschende?

Vier Stichworte: Neugier, Vernetzung, Planung und Autonomie. Zur Planung gehört unter anderem, schon früh, möglichst während des Studiums, mobil zu sein, Auslandserfahrungen zu sammeln. Aber auch, sich möglichst früh um Fördermöglichkeiten zu bemühen und sich zu vernetzen. Und es gehört dazu die Bereitschaft, alles für die Arbeit als Forscherin oder Forscher zu wagen. Trotz dem laufenden Mainstreaming der wissenschaftlichen Karrierewege weiss ich aus meinen Beratungen, dass kaum ein Weg geradlinig verläuft, gerade bei Personen mit Care-Verpflichtungen. Hier die Balance zu halten, das ist in der Nachwuchsförderung eine wichtige Aufgabe. Oder anders gesagt: Exzellenz ist nicht eine Frage des typischen Karrierewegs, sondern sie misst sich an der Qualität der Forschung. Und das sollte auch so bleiben.

 

Wie verbringen Sie Ihre Zeit?

Prozentual Stunden pro Tätigkeit in einer durchschnittlichen Woche:

Zeitdiagramm von M. Hirt, Universität Bern
© Christa Heinzer