Akademische Karrieren sind nicht planbar

Katharina Heyden, Ausserordentliche Professorin für Ältere Geschichte des Christentums und der interreligiösen Begegnungen an der Universität Bern
© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Katharina Heyden

Ausserordentliche Professorin für Ältere Geschichte des Christentums und der interreligiösen Begegnungen

Prof. Dr. Katharina Heyden ist Ausserordentliche Professorin für Ältere Geschichte des Christentums und der interreligiösen Begegnungen an der Theologischen Fakultät (100%). Sie ist Koordinatorin des Teams Interreligiöse Studien und QSE-Verantwortliche der Fakultät, Mitglied der Jungen Akademie und Pastorin im Ehrenamt. Sie ist verheiratet mit Carsten Heyden und hat drei Kinder (geboren 2006, 2007, 2011).

 

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit und was ist das Besondere dabei?

Ich bin frei in der Gestaltung der Inhalte, der Arbeitsformen und der Termine. Die Professur ermöglicht und erfordert einen grossen Abwechslungsreichtum in den Tätigkeiten. Zudem schätze ich die Ausgewogenheit von gemeinsamer und einsamer Arbeit: In den Vorlesungszeiten habe ich jeden Tag mit interessanten Menschen und deren Gedanken zu tun. In vorlesungsfreien Zeiten geniesse ich die Einsamkeit am Schreibtisch und in Bibliotheken.

Inwiefern ist Ihre Laufbahn vom «klassischen» akademischen Weg abgewichen?

Gibt es denn einen klassischen Weg? Vielleicht ist es nicht ganz «klassisch», dass mein Mann und ich während der Qualifikationsphase drei Kinder in die Welt gebracht und meinen kranken Vater gepflegt haben. In Deutschland hatte ich die Möglichkeit, bei der Geburt jedes Kindes von einer Anstellung als wissenschaftliche Assistentin auf Stipendien zu wechseln. So konnte ich vormittags zu Hause schreiben, während mein Mann für die Familie da war, und nachmittags hütete ich die Kinder und mein Mann ging arbeiten. Voraussetzung dafür war natürlich die Bereitschaft meines Mannes, selbst auch reduziert zu arbeiten und das in der Schweiz leider nicht existente Elternjahr in Anspruch zu nehmen. Das ist wohl nicht selbstverständlich.

Anders als viele andere, und auch anders als in Karrieretrainings häufig empfohlen, habe ich nie bewusst aktives Networking betrieben. Ich hoffte immer, allein durch die Qualität wissenschaftlicher Arbeit überzeugen zu können. Da ich bereits während des Studiums in Jerusalem und Rom zwei Auslandsjahre verbracht hatte, konnte ich es mir wahrscheinlich «leisten», in der Qualifikationsphase auf Auslandsaufenthalte zu verzichten.

Gab es Hürden? Wie haben Sie diese überwunden?

Da ich nicht unbedingt eine wissenschaftliche Laufbahn angestrebt habe und somit auch keinen Weg mit einem klaren Ziel fixierte, habe ich auch keine Hürden gesehen. Es war und ist mir wichtig, die Alternativen zur Universität zu sehen und dafür offen zu sein. Deshalb habe ich während der Habilitation die praktische Ausbildung zur Pfarrerin absolviert und dann auch ehrenamtlich in einer Kirchgemeinde gearbeitet. In Kauf nehmen mussten wir als Familie ein geringes Gesamteinkommen, das jeweils gerade von Monat zu Monat reichte und weder Altersvorsorge noch teure Ferien erlaubte. Und natürlich die Unsicherheit, die befristete Anstellungen und Stipendien mit sich bringen. Dafür gibt es keine Überwindungsstrategien.

In Göttingen nahm ich an einem Mentoring-Programm für weibliche Postdocs teil. Obwohl ich inhaltlich problematisch fand, dass eine Planbarkeit von akademischen Berufswegen suggeriert wurde, habe ich doch – vor allem, was Genderfragen betrifft – vieles gelernt und meine eigene Sicht auf diese Themen entwickelt.

Im Rückblick hatte ich auf dem Weg zur Professur sehr viel Glück: Ich musste nie unbezahlt wissenschaftlich arbeiten und hatte zwei Vorgesetzte, die meine Forschung sehr unterstützt und mir maximale Freiheit gewährt haben. Aber das Wort «Glück» zeigt eben auch, wie unplanbar wissenschaftliche Werdegänge sind.

Welche strukturellen Veränderungen wünschen Sie sich an den Universitäten?

Es muss gesichert sein, dass der wissenschaftliche Nachwuchs den allergrössten Teil der Arbeitszeit in die eigene Forschung und Lehre investieren und frei gestalten kann. Dies kann durch präzise Stellenformulierungen (und deren Einhaltung!), durch den Aufbau eines Stipendienwesens für Eltern (Frauen und Männer!) oder durch Assistenzprofessuren (mit Tenure Track!) geschehen. Ausserdem müssen ausreichend Krippenplätze für alle Kinder von Universitätsangehörigen zur Verfügung stehen.

Welche Tipps geben Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs in Ihrem Fach in Bezug auf eine wissenschaftliche Karriere?

An wenigstens zwei, besser drei unterschiedlichen Universitäten im In- und Ausland studieren beziehungsweise arbeiten; Alternativen zur Universität im Auge behalten und dafür offen sein; Kinder lassen sich nicht planen, sie entstehen nicht auf Knopfdruck, und wenn sie dann einmal da sind, werfen sie jede Agenda über den Haufen, und zwar nahezu stündlich – man kann sich darüber ärgern oder sich darauf einlassen und diese Lebensphase geniessen, ich empfehle Letzteres; Bedürfnisse, welche die eigene Lebenssituation mit sich bringt, gegenüber Vorgesetzten offen und sachlich ansprechen; alle gut gemeinten Ratschläge kritisch prüfen und eigene Wege gehen!

Wie verbringen Sie Ihre Zeit?

Prozentual Stunden pro Tätigkeit in einer durchschnittlichen Woche:

Zeitdiagramm von K. Heyden, Universität Bern
© Christa Heinzer