Rush Hour

Ineke Pruin, Assistenzprofessorin für Strafrecht an der Universität Bern
© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Ineke Regina Pruin

Assistenzprofessorin für Strafrecht

Prof. Dr. Ineke Regina Pruin ist Assistenzprofessorin am Institut für Strafrecht und Kriminologie (50%), Leiterin des Forschungsprojekts «Die Entlassung aus dem Strafvollzug» (DFG), Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (Landesgruppe Baden-Württemberg) und Redaktionsmitglied der Zeitschrift «Bewährungshilfe». Sie lebt mit ihrem Partner und zwei Kindern (4 und 9 Jahre alt) in Mannheim.

 

Was macht Ihre Arbeit besonders? 

Ich halte meine Arbeit für sehr sinnvoll. Ich finde es sehr verantwortungsvoll, zukünftige Juristinnen und Juristen im Strafrecht auszubilden, denn das sind die Leute, welche über die Schicksale von sehr vielen Menschen entscheiden werden. Auch meine Forschung halte ich für gesellschaftlich relevant und ich habe grosse Freude daran, an der Universität und bei den jungen Menschen am Puls sein zu dürfen.

Verstehen Sie Ihre Laufbahn als eine «klassisch akademische» Laufbahn?

Generell verstehe ich meine Laufbahn als eine klassische Karriere, auch wenn ich in Teilen vermutlich davon abweiche. Vielleicht weiche ich auf der Stufe Assistenzprofessur als Frau mit Kindern in den Rechtswissenschaften bereits vom Normalfall ab. Zudem habe ich extern promoviert, also nicht während einer Beschäftigung am Lehrstuhl meines Doktorvaters, und hatte schon früh die Möglichkeit, sehr eigenständig zu arbeiten und viele internationale Erfahrungen zu sammeln. Ausserdem kann man es wohl als Abweichung verstehen, dass ich momentan in Teilzeit angestellt bin.

Mit welchen Herausforderungen sind Sie konfrontiert?

Die grösste Hürde stellt für mich die Begrenzung der verfügbaren Zeit für die verschiedenen Aufgaben dar, die ich gerne erledigen möchte. Ich befinde mich wie viele andere auch in der sogenannten «Rush Hour» des Lebens: In der Zeit, in der ich mich für die akademische Laufbahn qualifiziere, stehen verschiedene andere Anforderungen an. Die Elternschaft ist schon an sich recht zeitintensiv und für mich auch an ehrenamtliche Tätigkeiten gekoppelt: So ist es mir und meinem Partner zum Beispiel wichtig, soziale und pädagogische Projekte zu unterstützen, die unsere Mitarbeit erfordern. Zum anderen kann es auch in diesen Zeitabschnitt fallen, dass die eigenen Eltern alt werden und sterben. Das sind einschneidende Erlebnisse, die nicht nur viel Kraft, sondern auch viel Zeit in Anspruch nehmen.

Dass gerade in dieser Lebensphase oft nur befristete akademische Stellen verfügbar sind, baut noch zusätzlichen Druck auf. Man ist ja auch schnell zu alt auf dem professoralen Bewerbungsmarkt. Ich glaube nicht, dass man mit 50, wenn die Kinder dann selbstständiger sind und mehr Zeit für die wissenschaftliche Arbeit bleibt, noch eine Chance auf einen Lehrstuhl hat.

Sie haben nun sehr viel aufgezählt, wie brachten und bringen sie alles unter einen Hut?

Ich hatte immer Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen, welche hinter mir standen und mich in meinen Lebensumständen kreativ und flexibel unterstützt haben. Ansonsten finde ich auch ein unterstützendes privates Netz sehr wichtig und bin insbesondere meinem Partner sehr dankbar, der hinter mir und meinem beruflichen Engagement steht. Zu Beginn meiner Mutterschaft habe ich auch einmal an einem beruflichen Coaching teilgenommen, von dem ich bis heute profitiere. Es hilft mir sehr, dass ich meine unterschiedlichen «Rollen» mag.

Wie kam es zu Ihrer doch eher noch unüblichen 50%-Anstellung und wie funktioniert sie?

Die Stelle war von Anfang an als Teilzeitstelle zwischen 50 und 70 Stellenprozent ausgeschrieben. Ich habe mich dann für die 50% entschieden. Und das funktioniert sehr gut. Meine Kolleginnen und Kollegen unterstützen die entsprechende Organisation, Termine werden langfristig abgesprochen, und ich kann deshalb an den wichtigen Sitzungen teilnehmen. Dies führt dazu, dass ich mich als volles Mitglied des Kollegiums fühle, was ich sehr schätze. Ansonsten kommuniziere ich viel per E-Mail, was ja heutzutage die gängige Form der Kommunikation ist.

Das Pendeln empfinde ich als sehr bereichernd: Beim Zugfahren kann ich viele Publikationen so konzentriert lesen, wie es im Alltag sonst häufig nicht gelingt, weil Anderes ansteht. Die Tage, an denen ich in Bern übernachte, werden nicht durch die Kinderbetreuung zerrissen. Das ermöglicht es mir, an diesen Tagen voll und ganz in der beruflichen Arbeit zu sein und «open end» zu arbeiten. Das gefällt mir sehr gut!

Welche strukturellen Veränderungen wünschen Sie sich an den Universitäten?

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn es mehr unbefristete Stellen für Lehrende und Forschende jenseits der Ordinariate gäbe. Es wäre auf jeden Fall unterstützend, wenn Qualifikationsschriften wie eine Habilitation nicht zwingend in der intensivsten Lebensphase um die 40 fertig gestellt werden müssten. Bei mir habe ich den Eindruck, es ist allerhöchste Eisenbahn: Wenn ich nicht schnell fertig werde, bin ich zu spät.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit?

Prozentual Stunden pro Tätigkeit in einer durchschnittlichen Woche:

Zeitdiagramm von I. Pruin, Universität Bern
© Christa Heinzer